Menschen für Tiere

Von Stina Kaiser.

Im Rahmen meines Redaktionsvolontariats bei VetiPrax habe ich das Tierheim Köln-Ostheim besucht, um eine Reportage zu produzieren.

 

P1100491_b

 

Große Augen, die Besucher durch Gitterstäbe hinweg beobachten. Hier und da ist nur noch eins übrig. Mal skeptisch, mal erfreut, aber eigentlich – und das überrascht dann doch – nie wirklich traurig. Dem Klischee von bemitleidenswerten Kreaturen, die in kleinen Zwingern ihr Dasein fristen müssen, will ein Tierheim im Kölner Osten nicht wirklich gerecht werden. Ulla Uth und Heidi Bolz stemmen gemeinsam mit einer Handvoll Freiwilliger den Tierschutzverein Menschen für Tiere e.V. und die dazugehörige Herberge. Ein kleiner Auslauf mit beheizter Schlafhütte, mindestens drei Gassirunden am Tag und eine eigens angepachtete Wiese erwarten Hunde, die das Glück haben, hier aufgenommen zu werden. Hunde, die scheinbar von niemandem sonst gewollt werden. Hunde, die als unvermittelbar gelten. Seit 1995 haben sich ein paar Menschen genau diesen Tieren offiziell verschrieben.

Tieren wie der elfjährigen Hündin Susie aus Hamburg: Das Herrchen im Pflegeheim, das Frauchen alleine nicht in der Lage, sich um die blinde Hündin zu kümmern. Und die Kinder einfach nicht gewillt. Selbst die Tierheime in Hamburg haben die nicht mal kniehohe Hundedame abgelehnt. Der Grund: Keine Aussicht auf Vermittlung. Doch was passiert mit einem Tier, das scheinbar nirgendwo einen Platz hat? Es bekommt ein großes, warmes Zimmer, ausgelegt mit Decken und Kissen direkt neben dem Empfang des Tierheims in Ostheim. Susie kam an mit eingewachsenen Krallen, maroden Zähnen und Hautentzündungen am ganzen Körper. Nach den vielen Tierarztbesuchen ist die Welt der blinden Hündin nicht mehr die, die sie mal war. Verwirrt stößt sie mit ihrer Halskrause an Wände, Schränke oder Beine ihrer Besucher. Und doch: Wahrscheinlich wird es Susie bald so gut gehen wie schon lange nicht mehr. Wenn sie dann nur noch eine neue Familie finden könnte.

 

P1100511_b

 

Das wollen alle Bewohner des Tierheims: Eine neue Familie, ein neues zu Hause. Das letzte, für immer. Damit das passiert, suchen die Mitarbeiter des Tierheims die neuen Menschen ihrer Schützlinge mit Bedacht aus. „Bei uns bekommt nicht jeder ein Tier“, sagt Ulla Uth. Ein Mann habe sich für einen der drei Hundebrüder interessiert, die aus Rumänien nach Köln kamen. Gerade mal acht Monate alt, aber schon hüfthoch. Noch schlaksig, aber in ein paar Monaten wahrscheinlich imposante Rüden. Er habe einen eingezäunten Garten, einen großen Hof, viele andere Tiere, sagte der Mann. Auf die solle der Hund aufpassen. Ob der Hund denn abends wieder mit nach Hause dürfte, fragte Frau Uth. Nein, ein Wachhund solle aus ihm werden. Aber dieses Schicksal steht keinem der drei Brüder bevor. Frankyboy, Klausi und Gerhard mit dem schiefen Pfötchen werden nur als Familienmitglieder vermittelt, nicht als Nutztiere. Wie alle Hunde, die im Heim auf ihre Familie warten.

Immer wieder erreichen Ulla Uth Hilferufe von Tierschutzorganisationen aus aller Welt. Dutzende von E-Mails am Tag. Wonach soll man aussuchen, welchem Hund man eine Chance gibt? „Oft lassen wir einfach unser Herz sprechen“, sagt sie. Meist entscheidet sich das Herz für Hunde, die nirgendwo sonst eine Chance haben. Wie die dreibeinige Rosi oder der einäugigen Piratul, der gerade erst aus Rumänien angereist ist. Zwar bekommt er im Kölner Tierheim nun endlich die Schmuseeinheiten, die er so sehr zu genießen scheint, aber auch in Deutschland stehen die Menschen nicht gerade Schlange, um ältere oder behinderte Hunde aufzunehmen. Im Gegenteil: Immer wieder werden Hunde am Zaun des Tierheims angeleint, Katzen in Kartons vor die Tür gestellt. Seitdem zumindest Hunde mit einem Mikrochip markiert werden müssen und man den Halter so schneller ausfindig machen kann, werden nicht mehr ganz so viele Tiere ausgesetzt. Doch viele Hundebesitzer lassen zwar ihren Hund chippen, sich selbst aber nicht als Halter in die Datenbanken eintragen.

Und so kommt es, dass immer wieder Straßen-, Findel- und Abgabetiere den Weg zu Ulla Uth finden, das Tierheim immer voller wird. Die Helfer sind Ehrenamtler, die Kosten nur notdürftig durch Spendengelder gedeckt. Wer helfen will, spendet Geld, Decken, Handtücher – selbst Waschpulver ist willkommen, denn die Waschmaschine läuft von morgens bis abends.

 

P1100501_b

 

Am liebsten wäre es Ulla Uth jedoch, wenn die Menschen endlich verstehen würden, was für Schätze in den Tierheimen dieser Welt auf sie warten. Wenn sie für einen Welpen nicht mehr zum Züchter, sondern ins Heim fahren würden. Wenn sie doch nur nicht immer wieder auf Hinterhofzüchter reinfallen würden, die Welpen mit gefälschten Impfausweisen direkt aus dem Kofferraum verkaufen. Ja, auch ein Hund aus dem Tierheim kostet Geld. 300 Euro Schutzgebühr erhebt das Tierheim Ostheim, wenn ein Hund abgegeben wird. Immer kastriert, gechippt und entwurmt. Nicht einmal das kann von den 300 Euro wirklich bezahlt werden. Und doch lassen sich immer wieder Leute von der Schutzgebühr abschrecken, um später einen Welpen für knapp 2000 Euro beim Züchter kaufen. Ein Welpe, der – ganz nüchtern betrachtet – auf Nachfrage zu Verkaufszwecken produziert wurde. „Wenn die Tierheime leer sind, dann können sie wieder anfangen, zu züchten. Vorher nicht. Die Züchter nehmen den Tierschutztieren immer wieder den Platz weg“, sagt Frau Uth. Dann wird sie von der nächsten ehrenamtlichen Helferin abgelöst. Denn sie muss nach Hause, zu ihren zwei alten Hunden.

 

 

 

» Allgemein » Menschen für Tiere
Vom 7. Juli 2016

« »